Entscheidungen der Vergabeprüfstelle aus dem Jahr 2023

Nr. 10.3 VVÖffAw RP, Nr. 10.3.3 VVÖffAw RP, § 10 Abs. 3 Nr. 3 NachprV

 Die Auftraggeberin schrieb Garten- und Landschaftsbauarbeiten aus. Alleiniges Zuschlagskriterium war der Preis. Die Aufforderung zur Angebotsabgabe (Formblatt 211 VHB-Bund 2019) enthielt die auf bundesrechtlichen Vorschriften basierende Bevorzugungsregelung, nach der Werkstätten für Behinderte bei der Berechnung der Wertungssumme ein Nachlass von 15 % eingeräumt werden sollte. Das Unternehmen des Beschwerdeführers war ein Inklusionsbetrieb. Die Auftraggeberin berücksichtigte bei der Angebotswertung die Anerkennung des Unternehmens des Beschwerdeführers als Inklusionsunternehmen nicht. Nach der Angebotswertung belegte der Beschwerdeführer den zweiten Rang. Der Beschwerdeführer beanstandete, dass die Auftraggeberin bei der Angebotswertung die Bevorzugungsregelung nach Sozialgesetzbuch IX nach Nummer 10.3.3 der Verwaltungsvorschrift „Öffentliches Auftragswesen in Rheinland-Pfalz“ vom 18.08.2021 (MinBl. 91) nicht angewendet habe.

Die Vergabeprüfstelle hat die Beanstandung zurückgewiesen:

Nach Nummer 10.3.3 der vorbezeichneten Verwaltungsvorschrift ist bei der Wertung des Preises von Angeboten von

  • anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen oder anerkannten Blindenwerkstätten ein Abschlag von 15 Prozent und

  • bei anerkannten Inklusionsbetrieben ein Abschlag von 10 Prozent

zu berücksichtigen. Die Bevorzugungsregelung nach Nummer 10.3.3 der Verwaltungsvorschrift war in das streitgegenständliche Vergabeverfahren einzubeziehen. Dem ist die Auftraggeberin in den Vergabeunterlagen nicht nachgekommen; sie hat das Formblatt 211 VHB-Bund 2019 nicht auf die rheinland-pfälzischen Bestimmungen angepasst. Damit hat sie gegen vergaberechtliche Vorschriften verstoßen.

Der Vergaberechtsverstoß konnte durch den Beschwerdeführer jedoch nicht mehr geltend gemacht werden, weil dieser in den Vergabeunterlagen erkennbar war. Bieter haben auf Grundlage von § 10 Abs. 3 Nr. 3 NachprV die Obliegenheit, erkennbare Vergaberechtsverstöße in den Vergabeunterlagen bis zum Ablauf der Bewerbungs- bzw. Angebotsfrist gegenüber dem Auftraggeber zu rügen. Ein Vergaberechtsverstoß gilt als erkennbar, wenn er durch bloßes Lesen der einschlägigen Normen und Abgleich mit den Vergabeunterlagen ohne Weiteres festgestellt werden kann. Bei dieser Beurteilung ist auf den objektiven Empfängerhorizont des Bieters abzustellen. Wird der Vergabeverstoß nicht oder nicht rechtzeitig gegenüber dem Auftraggeber gerügt, weist die Vergabeprüfstelle das Nachprüfungsbegehren des beanstandenden Bieters aus formalen Gründen zurück.

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